Buchempfehlung: Ischgl – «Sie sehen nicht, was sie sehen»

Momentan könne man keine Kunst sehen, die Künstlerinnen und Künstler nicht unterstützen und diese seien in der Covid-Krise vergessen worden, hört man. Man kann nicht ins Theater, Konzert, Oper, Zirkus, Ballet, Musical, Museum, Kino, Gallerie, etc. etc. Und natürlich gilt das für viele Darsteller, Bühnenmusikerinnen, Artisten, Performer…

Aber Kunst findet nicht nur auf der Bühne und in Kinosäälen statt. Es gibt auch die Kunst, die man sich erschwinglich nach Hause holen kann. Deshalb kann man auch jetzt Künstler über andere Mittel durchaus unterstützen. Die Solothurner Filmtage, gingen letzten Mittwoch zu Ende und fanden trotz Covid, halt einfach online bei den Zusehern zu Hause statt.

Auch der Fotokünstlers Lois Hechenblaikner hat mit einem ungemein schönen und gleichzeitig verstörendem Fotobuch über den Skiwahnsinn und dessen Auswirkungen ein Kunstwerk als Bildband vorgelegt, das man sich in die eigene Stube holen kann.

Der Tiroler Dokumentator massen-touristischer Vergnügungsorte in den Alpen ist nicht nur ein Meister des Blickes auf das menschliche und technische Geschehen in der Alpenwelt und der Kamera, die festhält was andere zu übersehen versuchen, sondern kann das, was er bei seiner Arbeit an Erkenntnis gewinnt auch eloquent mitteilen. So erklärt er uns in Wort und Bild die Vereinnahmungen der bäuerlich historischen Bildwelt durch Tourismusvermarkter und durch uns als berauschte Gäste.

In einer früheren Arbeit, die als Buch mit dem Titel »Hinter den Bergen« erschien, hat er die Menschen in den Alpen, ihre Bräuche, Architektur, Technik, Kultur von gestern, Bildern von heute gegenübergestellt. So wird noch erkennbarer, wie sehr die touristische Vergnügungsindustrie eine Art «potemkinsche Tourismusdorf» als das wahre Erlebnis verkauft. Im Arte-Dokumentarfilm “Rummelplatz Alpen” bringt er es folgendermassen auf den Punkt:

«Meine Bilder machen sichtbar, was ein ganzes System versucht zu verschweigen, zu verdrängen oder zu ästhetisieren, weil die Tourismuswirtschaft ist ja immer das Schöne zu propagieren, wo ein Mythos des Alten bewirtschaftet wird, wo eine Banalisierung und Aushölung passiert. Gerade diese Unkultur des Apres-Ski ist ein wesentliches Thema von mir, weil es eigentlich immer ein Klau, ein Diebstahl an der Bauernkultur ist.» Und weiter hinten wieder zum Thema der touristischen Architektur: «Die Alphütte ist eine Ikone der Alpen schlechthin. Jeder würde sich wünschen, in einer Almhütte seinen Urlaub zu verbringen oder zumindest ein paar Tage, das ist einfach etwas ganz, ganz einmaliges, so etwas wie ein Altgriechischer Tempel. Und diese Hütte hat man runtergezerrt ins Tal, hat sie vergewaltigt, missbraucht, ausgehöhlt und ist nur noch Staffage geworden» […] mit Holz verkleidete Stahlbetonruine, die irgendwann mehr kosten werde als an Substanz da ist.

Der Tiroler wurde zu den im 2012 aktuellen Ausbauprojekten im Berner Oberland, Simmental auch schon mal von der Berner Zeitung befragt und fasst eine Tendenz von Ausbauprojekten im Wintertourismus wie folgt zusammen:

«Wir erleben ein Herdenmanagement, härter als im Sommer mit den Kühen auf der Alp.»

Lois Hechenblaikner

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In Kürze wird das Buch “Keine Ostergrüsse mehr! Die geheime Gästekartei des Grand Hotel Waldhaus in Vulpera” von Lois Hechenbleiker’s (u.a.) im Verlag Patrick Frey erscheinen. Die Gästekartei des 1989 nach Brandstiftung niedergebrannten Hotels konnte damals gerettet werden – wir sind gespannt auf die Geschichten.

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