Als die Indianer sauer wurden

Die Schweiz als Wahlhelferin in Argentinien

Nicht nur die glorreiche Nation der Schweiz hat am Wochenende gewählt, sondern auch wichtige Staaten wie Tunesien oder Argentinien. Eine Episode von feinfühligem internationalem Geschick der gerühmten schweizer Diplomatie stösst den Argentiniern aber sauer auf.

Im März dieses Jahres hat die Schweizer Bundesanwaltschaft ein Rechtshilfegesuch in der Sache möglicher Geldwäscherei über ein Tarnkonto auf einer Genfer Privatbank an Argentinien geschickt. Und das ist auch gut so. Aber der schweizerischen Korrektheit nicht genug: Im Begleitbrief haben die Beamten nämlich die Indianer vom Rio de la Plata darüber aufgeklärt, um was es bei einem Rechtshilfeersuchen geht und dabei die wirklich wichtigen Dinge nicht ausgelassen.

Das Tarnkonto gehört offenbar einem Müllfuhrhalter, welcher die Tantiemen seines müffeligen Geschäfts in der Schweiz weisswaschen muss (geht ja in der dreckig braunen Brühe des Rio de la Plata auch schlecht ab / alles hier natürlich Mutmassungen). Nun ist offenbar den feinriechenden Berner Beamten ein müffeliges Düftchen von Genf her in die Nasen gestiegen. Also macht man sich an die Untersuchung und wie dies so geht in Bern, man liest Google News und findet heraus, das ebendieser Müllfuhrhalter ein Sauffkumpane (auch dies Mutmassungen) vom Gewerkschaftspräsident der Truckerfahrer ist, und wer sich in die politischen Verwirrungen von Argentinien hineinsteigert wie die Bundesanwaltschaft findet schnell heraus, dass die wirklich wichtig sind in einem Land, wo nur Müllsammler und keine Müllfuhrhalter Zug fahren. Der langer Rede kurzer Sinn: der Müllfuhrhalter ist Kumpane des Truckerfahrergewerkschafters. Und dieser wiederum ist ein Trostspender der Wittwe und Präsidentin de Kirchner.

So klärt also die Bundesanwaltschaft im Begleitschreiben, welches mit dem Rechtshilfegesuch mitgeht, die Argentinier darüber auf, dass sie ja in der Zeitung von diesen Verbandelungen gelesen habe und bringt damit die Indianer auf eine heisse Fährte.

Aber hier kommt die ehrgeizige Stimmung der Schweizer zum erliegen – die Indianer sind verärgert über die Schweizer, ein undankbares Pack! Der Truckerfreund will einen Streik (Huelga) vom Zaun reissen, der den Schweizern hören und sehen vergehen lässt und eine Metropole (genannt Capital Federal) lahmlegen würde, die doppelt so viele Einwohner zählt wie die Schweiz. Obwohl die Metropole natürlich weit weg ist, wird es den Schweizern doch ein bischen mulmig und sie versuchen die Kohlen (el Carbon) aus dem Parilla-Asado zu holen. Im letzten Moment konnte der Schweizer Botschafter den Truckerfahrer davon überzeugen, dass man die ganze Geschichte (el cuento) hier drüben vergessen wird – wir seien es uns gewohnt Geschichte (la historia) zu vergessen.

Der Fall wurde dort als Suizagate über die ganze Pampa bekannt. Man kann sich fragen, ob das rigorose Vorgehen gegen die starke, reiche Schweiz der lieben armen Wittwe, die jeweils vor den Wahlen alles für das verarmte Drittel der argentinischen Bevölkerung tut, an diesem Wochenende mitgeholfen hat, ihre Wiederwahl mit 53% Wähleranteil (45% reichten) zu gewinnen. Zu allem Ungemach war das Schreiben auch noch mit Form- und Rechtschreibfehlern gespickt – übrigens, die können sogar lesen die Indianer, denn in Argentinien sind die Schulen und Unis gratis und abstimmen gehen auch die meisten, es herrscht Stimmzwang.

Artikel in Die Zeit: “Es stand doch in der Zeitung”

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